Aktuell

Vertreter Deutschlands und Tschechiens plädieren für eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise

 
 

Konferenz „Die Angst vor dem Fremden"
23. - 25. September 2016, Marienbad, Kloster Teplá

Pressemitteilung, 26. September 2016

Die diesjährige Jahreskonferenz des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums „Die Angst vor dem Fremden“, welche dieses Wochenende in Mariánské Lázně (Marienbad) und im Kloster Teplá stattfand, befasste sich vor dem Hintergrund des aktuellen Geschehens mit Migration und Integration in Deutschland, Tschechien und Europa. An der Konferenz nahmen Regierungsvertreter, Vertreter von Bürgerinitiativen, Praxisexperten und Akademiker aus beiden Ländern teil. Sie stellten übereinstimmend fest, dass zwischen Deutschland und Tschechien ausgezeichnete Beziehungen auf politischem, wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet bestehen, die dank eines kontinuierlichen strategischen Dialogs wie auch dank der Tätigkeit des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds weiter vertieft werden. Eklatante Unterschiede gebe es jedoch in der Wahrnehmung der Flüchtlingskrise.

Mit keinem anderen Nachbarland verbänden Deutschland so viele soziokulturelle Gemeinsamkeiten wie mit Tschechien. Dennoch bestünden Unterschiede, die daher mitunter umso mehr ins Auge stechen. Wie die beiden Ko-Vorsitzenden des Gesprächsforums, der ehemalige Vizepräsident des Europäischen Parlaments Libor Rouček und Bundesminister Christian Schmidt, betonten, solle man jedoch „bei der Flüchtlingsdebatte gemeinsame Ziele vor Augen haben statt Gefühlen von Machtlosigkeit und Unfähigkeit zu erliegen“.

Die Idee eines Zusammenlebens mit Menschen verschiedener ethnischer Herkunft und religiöser Konfession sei für beide Gesellschaften eine beständige Herausforderung. Beim Bemühen um Integration sei es unerlässlich, auf den europäischen Werten einer offenen, pluralistischen Gesellschaft zu beharren, gleichzeitig könne man jedoch keine komplette Verdrängung der jeweiligen Herkunftskulturen verlangen. „Man müsse die Gefühle der nach Europa kommenden Menschen ernst nehmen, und es sei Fakt, dass man die Rolle von Religion, Kultur und Tradition unterschätzt habe,“ meint der bayerische Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer. Wichtig seien daher eine umfassende Einbindung der Migranten in unsere Gesellschaft, Sprachunterricht im Gastland, damit die Neuankömmlinge sich besser integrieren könnten, wie auch interkulturelle Bildung von Einheimischen und Migranten.

Ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu einer vollwertigen Integration sei der uneingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt. Insbesondere die tschechische, teilweise aber auch die deutsche Wirtschaft leide derzeit an einem Arbeitskräftemangel, der durch Migranten ausgeglichen werden könne. „In der Tschechischen Republik besteht eine Angst vor dem Unbekannten, die auch von den Medien und vor allem von einigen politischen Subjekten geschürt wird“, so Josef Středula, Vorsitzender des Böhmisch-mährischen Gewerkschaftsverbandes: „Die tschechische Wirtschaft braucht jedoch Leute von auswärts, die hier leben und arbeiten möchten.“

Eines der größten Risiken einer mangelnden Bewältigung der Migrationswelle sei das Anwachsen von Hass und Xenophobie. Dies zeige sich u. a. in sozialen Netzwerken, vor allem aber anhand der wachsenden Zustimmung für radikale Parteien und Bewegungen wie z. B. die AfD in Deutschland oder verschiedene Gruppierungen mit xenophober Rhetorik in Tschechien. Die schärfsten Grenzen verliefen demnach nicht unbedingt zwischen den beiden Gesellschaften, sondern innerhalb dieser. „Die in Deutschland bestehenden Befürchtungen, wie die Integration zu schaffen sei, kann ich verstehen. In Tschechien ist mir diese Angst unbegreiflich, hierher sind nur ein paar Dutzend Migranten gekommen. Dennoch herrscht bei uns Hysterie und es wird zum Hauptthema der bevorstehenden Regionalwahlen gemacht“, sagt Jiří Dienstbier, Minister für Menschenrechte, Gleichstellung und Gesetzgebung.
Antje Vollmer, ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, mahnte Verständnis für die geäußerten Ängste der Menschen an. Mit diesen Ängsten müssten sich die Parteien des demokratischen Spektrums stärker auseinandersetzen.
Den Konferenzteilnehmern zufolge sind Bestrebungen, die Krise ausschließlich auf einzelstaatlicher Ebene zu lösen, zum Scheitern verurteilt. Der einzige Weg sei eine gemeinsame europäische Lösung.

Das Deutsch-Tschechische Gesprächsforum, das die Konferenz in Zusammenarbeit mit der Stiftung Forum 2000 organisiert hat, wurde 1997 im Anschluss an die Deutsch-Tschechische Erklärung gegründet. Seine Aufgabe besteht in der Förderung des Dialogs zwischen Deutschen und Tschechen und in der Vernetzung von Menschen, die sich gemeinsam um eine gute Nachbar- und Partnerschaft bemühen.

Kontakt für die Journalisten: Zuzana Blahutová, zuzana.blahutova@forum2000.cz,
tel: + 420 775 275 027.
 

 
zurück